Funkige Politik (Maren Mettelsiefen)
Eine Frau im knackig engen Lederdress hält eine starke Rede, Freaks mit Rastalocken und junge Neo-Hippies lehnen an einem Stand und stellen ihre Konzepte vor. Die Lederdiva ist Angela Marquardt. An der Bar stehen zwei Männer in traditionellem Anzug mit Krawatte und trinken Kaffee. Bunt gemischt ist das Kleidungsrepertoire und vielseitig. Ungewöhnlich für einen Bundesparteitag, von dem man als Jungjournalist eine strenge Etikette erwartet. „Warum gerade PDS?“ Mit dieser Frage ziehen wir zu zweit los, kämpfen uns durch den Pressedschungel auf dem PDS-Parteitag, auf der Suche nach einer Antwort. Angesteckt von der lebhaften und motivierten Atmosphäre erfahren wir von einem Kollegen, dass er eine Umfrage unter Pressejournalisten und Redakteuren gemacht hat. Nach seiner Angabe wäre von acht Befragten, die von ihrem Chef zum Parteitag gesandt wurden, nicht ein Einziger von alleine auf die Idee gekommen, die PDS mit seiner Anwesenheit zu beehren. Ein schöner Einstieg, finden wir und beginnen mit der Planung unseres Konzeptes. Ich ziehe los und befrage die Menschen in der Umgebung. Mich interessiert, wie die Bevölkerung der ehemaligen DDR heute zur PDS steht. Die Idee entstand einen Abend zuvor, als uns ein eingeborener Thüringer mit Schäferhund den Weg zu unserem Jugendhotel zeigte und im urtümlichen Akzent seine einfache, aber interessante Sicht der PDS nahe legte. Er erzählte uns von seinem Mitleid mit der PDS, die gute Ideen habe, aber in der Öffentlichkeit der „Buhmann“ sei. Bitterkalt ist es und ich hoffe, schnell ein paar überzeugte Wähler oder Nichtwähler zu finden, die ihre Aussage begründen können. Die erste Reaktion eines älteren Herrn, der langsamen Schrittes durch die Fußgängerzone schlendert: „Keine Zeit.“ Muss wohl an meiner Frisur liegen. Die Dame mit Langhaardackel hat kein Interesse an der PDS und auch die fünf weiteren Personen haben mehr oder weniger kreative Ausreden. Es liegt definitiv an meiner Frisur. Immerhin hat die PDS das stärkste Wählerpotenzial in den neuen Bundesländern. Endlich findet sich eine Rentnerin, die gewillt ist, in mein kleines Diktiergerät zu sprechen. Ursula Hoffmann (62): „Ich habe nie die Absicht gehabt, PDS zu wählen und ich werde es auch niemals tun. Die PDS ist zu abstrakt, unmodern und nicht attraktiv.“ Die Lage bessert sich, die Menschen möchten also doch reden. Zielstrebig marschiere ich mit gezücktem Bleistift auf meine nächsten Opfer zu. Ein mitteljunger Rechtsanwalt und eine Dozentin sind beide der Meinung, die PDS übe nur Kritik, ohne Verbesserungsvorschläge zu machen. Sie sind davon überzeugt, ihr Grundsatz sei überholt und nicht zukunftsfähig. Was „demokratischer Sozialismus“ denn überhaupt sei, das wollte ich abschließend noch wissen. Antwort bekam ich bei Jan Sedlacik (24): „Demokratischer Sozialismus ist…ist...ist die sozialen Probleme der Menschen einzeln demokratisch zu erkennen und zu behandeln und das von den Menschen für die Menschen zu machen.“ Danke Jan. Geht doch.