Rote Träume am Ostseestrand (Katrin Hünemörder)
„Die älteste Region Europas“ könnte Mecklenburg-Vorpommern bald im Titel stehen haben. Bei über 20 % Jugendarbeitslosigkeit stoßen die hohen Abwanderungszahlen junger Menschen auf keine große Verwunderung. Ein großes Problem ist es dennoch, und nicht das einzige des Nord-Ost-Lichtes, und in vielerlei Hinsicht Schlußlichtes Deutschlands, mit dem die Landesregierung zu kämpfen hat. Das Regieren für den Koalitionspartner PDS im Land wird durch den verpassten Wiedereinzug der Bundes-PDS in den Bundestag nicht einfacher. Durch die Verluste an Prozentpunkten bei der Landtagswahl sind die jetzt 13 Fraktionsmitglieder (während der letzten Legislaturperiode waren es 20) vollends auf sich selbst, ihre Koalitionsverhandlungen und den eigenen Profilerhalt konzentriert, und müssen sich nun ohne den Rückhalt und die Kompetenzen der Bundestagsfraktion durchsetzen. Das ist laut Torsten Koplin, 40 Jahre, (sozial- und gesundheitspolitischer Sprecher der PDS-Fraktion) besonders schmerzhaft.

Während die Bundesregierung gerade Superman und Superwoman als Superwaffen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Gesundheitsdebakel kreiert, soll sich an der Regierungsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern jedoch nichts ändern. Die Gleichstellungsbeauftragte soll gestärkt werden, sagt Koplin, betont aber, dass es in den Koalitionsverhandlungen generell zuerst um das Was, und dann erst um das Wie beim Regieren geht. Inhalte vor Struktur und Personalien also. Das Kita-Gesetz beispielsweise soll novelliert werden. Jedem Kind ab dem zweiten Lebensjahr muss laut Fraktion ein Kita-Platz zur Verfügung stehen, ein kostenloses Vorschuljahr ein Jahr vor der Einschulung soll Kindern die Möglichkeit geben, sich auf die Schule vorzubereiten. Dieser Wunsch ist teuer. Sechs Millionen Euro soll das Projekt kosten. Für Angelika Gramkow, 44 Jahre, Spitzenkandidatin der PDS und Fraktionsvorsitzende, steht aber fest, dass sie den Koalitionsvertrag nur dann unterzeichnet, wenn diese PDS-Forderung übernommen wird.

Warum aber hat die PDS auch in Mecklenburg-Vorpommern trotz des hehren Ziels von 25 + x % und guten inhaltlichen Konzepten das Vertrauen der Wähler nicht gewinnen können? Für Gramkow, Koplin und auch Helmut Holter, 49 Jahre, Vize-Ministerpräsident und Arbeits- und Bauminister gibt es mehrere Erklärungen. Mit Sicherheit hätten sie den Fehler begangen, ihre Erfolge nicht klar genug herausgestellt, beziehungsweise nur ihre eigenen Highlights, nicht aber die der Fraktion verkauft zu haben.
Die SPD hat das cleverer gemacht, betonte die Koalitionserfolge und heimste dadurch auch die Erfolge in Sachen Schulgesetznovellierung, Arbeitsmarktprogramm, Änderung des Rettungswesens oder der Kommunalwahlalterabsenkung ein, die zum großen Teil auf das Konto der PDS gingen. Sie hätten gelernt, meint Torsten Koplin, und würden in die kommenden Koalitionsverhandlungen mit nötigem Selbstbewußtsein und entsprechender Durchsetzungsfähigkeit gehen.

Das Scheitern der PDS an der 5%-Hürde bei den Bundestagswahlen überträgt der Landes-PDS natürlich einen Teil der Verantwortung für die bundespolitischen Diskussionen. Die Landesverbände haben untereinander Kompetenzen und Themen aufgeteilt, welche sie federführend bearbeiten werden. Das Mecklenburg-Vorpommern dabei das Thema Umwelt und nachhaltige Entwicklung abbekommen hat, kommt nicht von ungefähr. Umweltminister Methling gilt nicht nur bei vielen Mitgliedern und Sympathisanten der Partei als erfolgreicher und sehr fähiger Minister, und wäre von einigen gern als Spitzenkandidat gesehen worden. Nun hat er eine neue Verantwortung, nämlich ökologische Themen auf Bundesebene zu diskutieren und zu zeigen, dass die PDS zukunftsfähige Konzepte im Bereich der Nachhaltigkeit vorlegen kann.

Für regenerative Energien, Bio –und Umwelttechnologien wird Mecklenburg-Vorpommern zukünftig als attraktiver Standort gelten. Sehr sinnvoll, denn das Land bietet zumindest von seiner Geographie alle Voraussetzungen dafür. Bleibt zu hoffen, dass die Regierung derartige Projekte tatsächlich mit den notwendigen Mitteln unterstützt, denn einen klassischen Wirtschaftsstandort wird das Land aufgrund mangelnder Infrastruktur und Fachkräfte wohl in naher Zukunft nicht abgeben. Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich von Zukunfts- und Biotechnologien könnten tatsächlich junge Leute im Land halten, denn mit Verlaub, ein Bundesland für Touristen und Senioren zu regieren, ist nicht mal auf kurze Sicht erstrebenswert und finanzierbar.